Der obere Nonsberg ist nicht einmal fünf Kilometer Luftlinie von St. Pauls entfernt und dennoch außerhalb unseres Radarschirms. Das liegt wohl daran, dass am Mendelpass die Landesgrenze zwischen Südtirol und dem Trentino liegt und beide Länder in den vergangenen Jahrzehnten einen azsgeprägten Regionalpatriotismus entwickelt haben. Ein Blick über den Tellerrand ist aber sehr lohnenswert, bietet der Nonsberg mit dem Räter-Museum in Sanzeno und dem Wallfahrtsort San Romedio zwei absolute Highlights.
Wolkenverhangene Berge, ein paar Regentropfen und Temperaturen unter 15 Grad Celsius: Kein Wetter, um eine Wanderung oder eine Biketour zu wagen, zumal die Apfel- und Traubenernte genug körperliche Anstrengung abverlangt. Deshalb fassen wir einen Museumsbesuch ins Auge. Erste Wahl ist das neu eröffnete Muse in Trient. Das Wisssenschaftsmuseum ist von Architekt Renzo Piano geplant und nach modernsten museumspädagogischen Ansätzen eingerichtet worden. Wir fahren also die 60 Kilometer in 45 Minuten nach Trient und sehen vor dem Museumseingang eine gut 100 Meter lange Menschenschlange. Es scheint wohl nicht nur uns zu Ohren gekommen zu sein, dass das Muse ein tolles Museum ist... Auf Warteschlange haben wir jedenfalls keine Lust und beschließen kehrt zu machen. Auf der Fahrt in Richtung Norden fällt uns ein, dass wir längst schon einmal das Räter-Museum in Sanzeno am Nonsberg besuchen wollten und wir zweigen bei San Michele auf der orografisch rechten Talseite in das Nonstal ab.
Sanzeno liegt am St-Justina-Stausee etwa zehn Kilometer hinter der Mendelpass, der wiederum etwa 15 Kilometer Fahrtstrecke von St. Pauls entfernt liegt. Das Dorf, in dem etwa 1000 Menschen leben, hat eine tausende Jahre alte Siedlungsgeschichte. Zahlreiche Funde aus der Räter- und später der Römer-Zeit belegen dies. 2003 hat die Provinz Trient ein archäologisches Museum eröffnet und damit einmal den Grundsatz umgedreht, dass nicht die Objekt vom Fundort in ein bestehendes Museum gebracht werden müssen, sondern dass man auch ein Museum direkt am Fundort bauen kann. Kompliment!
Am Parkplatz vor dem Museum startet auch der Weg zum Wallfahrtsort San Romedio. In einer Dreiviertelstunde kann man durch einen zum Teil in den Fels gehauenen Weg ähnlich der berühmten Uina-Schlucht zu dem kirchenburgähnlichen Gebäudekomplex wandern.
Der Wallfahrtsort ist vom Heiligen Romedius gegründet worden. Romedius wird gewöhnlich auf einem Bären reitend dargestellt. Dem Heiligen ist die Cappella Maggiore im Kloster geweiht, die über eine steile Treppenfolge an der Spitze eines Felsens erreichbar ist und einen wahrhaft archaischen Eindruck macht. Um das Kloster herum befindet sich auch ein Bärengehege, in dem seit 2007 die Bärin Jurka, die Mutter des Problembären JJ1, lebt.
Nach dem Abstecher zum Wallfahrtsort geht's dann ins Museum. Das "Museo retico" zeichnet die Siedlungsgeschichte des Nonsberges nach. Der Parcours ist multimedial gestaltet und führt den Besucher vom Grundsätzlichen über Archäologie zu den Rätern und dann den Römern. Zu beiden Kulturen sind am Nonsberg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Funde zu Tage gefördert worden, die in diesem Museum mit seiner spannenden Architektur gekonnt präsentiert werden.
Fazit: Archäologie muss nicht langweilig sein, umso besser, wenn sie auch noch vor der Haustüre so gut aufbereitet wird!